Der Volvo Ocean Race Stopover in Lorient in einem Wort? Spaß!

Franck Cammas, Frankreichs Sportheld Nummer eins, nach dem Sieg Groupamas beim Inport-Rennen.

Damit sei auch der eigentliche Inhalt dieser Veranstaltung vorweggenommen. Sicherlich geht es darum, irgendwann, hinterher, mittels Imagetransfer mehr Volvos zu verkaufen, und das tut der Homo Marketingensis am besten mit Spaß. Und Zuverlässigkeit. Und Team Spirit, Abenteuer, Völkerverständigung, Nachhaltigkeit, Sportlichkeit, und immer wieder Spaß. Alles Werte, die das Volvo Ocean Race verkörpern soll, und die in Lorient permapräsent, aber nie aufdringlich waren.

Segelpuristen mögen sich abwenden und den „Zirkus“ für überflüssig halten, alle anderen haben es sicherlich genossen. Da ist es völlig egal, ob ab der nächsten Ausgabe in einer Einheits- oder Entwicklungsklasse gesegelt wird. Wichtig ist, dass der Besucher nahe an die Boote herankommt – in Lorient kein Problem. Wichtig ist auch, dass „der Funke überspringt“, dass Enthusiasmus zu spüren ist – auch das kein Problem in Lorient. Wer jemals Franzosen gesehen hat, die sich über einen der Ihrigen bei einer Siegerehrung freuen, muss sich um Enthusiasmus keine Sorgen machen.

Nun soll das Rennen auch Nicht-Segler anziehen und einen sympatischen Eindruck hinterlassen. Ein klares Votum: Ziel ereicht. Während sich der segelnde Elternteil auf dem Dock rumdrückt oder per Public Viewing dem Rennen folgt, hat der segelunlustige Teil der Familie ausreichend Möglichkeit, einen schönen Tag zu verbingen. Alle Attraktionen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, daher ganz im Sinne von „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, ein kleine Auswahl:

Selberbaggern, Verkehrsübungsplatz und in Luftblasen über's Wasser laufen - die Kiddies waren beschäftigt
Selberbaggern, Verkehrsübungsplatz und in Luftblasen über's Wasser laufen - die Kiddies waren beschäftigt

3D Volvo Ocean Race Experience
3D Volvo Ocean Race Experience

Besichtigung möglich: Ein französisches U-Boot in seinem natürlichen Habitat
Besichtigung möglich: Ein französisches U-Boot in seinem natürlichen Habitat

Und nun zur Hauptattraktion, dem Segeln. Aber nein, nicht das Segeln, sondern das Segeln für Nicht-Segler: Mini VOR. Auf sechs Farr 30, jede im Design eines VOR-Teilnehmers, konnten Segelinteressierte ausprobieren, wie es denn so ist, wenn man’s mal selber macht. So begeistert man Leute.

Schnuppersegeln in den Farr 30 des Mini VOR
Schnuppersegeln in den Farr 30 des Mini VOR

Mir ein bisschen Glück kann man diesen Gesellen in Action begegnen:

Groupama 3 und Banque Populaire V unterwegs; weitere Einwohner Lorients: Sodebo, Vibrac Paprec 3 und die Pen Duicks
Groupama 3 und Banque Populaire V unterwegs; weitere Einwohner Lorients: Sodebo, Vibrac Paprec 3 und die Pen Duicks

Nun aber wirklich zum Kern der ganzen Angelegenheit, denn ein Volvo Ocean Race Inport-Rennen gab’s auch noch:

Eine der Schlüsselstellen war Mark 7, wo Camper/Emirates Team New Zealand, die bis dahin geführt hatte, den ersten Platz an Groupama abgeben musste.

Auch die Jungs auf Sorgenkind Sanya hatten nach dem Rennen allen Grund, lange Gesichter zu machen. Nach einem guten Start hielten die Mannen um Skipper Mike Sanderson lange den vierten Platz, bis es ein Problem mit dem Focksegel gab. Letztendlich blieb ein Punkt für die sechste Position.

Sanya wieder vom Pech verfolgt und letzte im Inport-Rennen
Sanya wieder vom Pech verfolgt und letzte im Inport-Rennen

Beim Start in die letzte Etappe nach Galway in Irland sorgte wieder Camper/ETNZ für Spannung. Beim Start kam das feuerrote Spielmobil Gegenspieler Telefonica zu nahe und musste kringeln. Eine furiose Aufholjagd folgte, zur Zeit (1. Juli, 23:00 UTC) liegt die Mannschaft um Chris Nicholson in Führung.

Hier war die Welt für Camper/Emirates Team New Zealand noch in Ordnung.
Hier war die Welt für Camper/Emirates Team New Zealand noch in Ordnung.

Jetzt ab zum Strafkringeln.
Jetzt ab zum Strafkringeln.

Nun aber hinterher.
Nun aber hinterher.

Und wenn sich das alles liest wie "Mein schönstes Ferienerlebnis", hat das einen Grund: Wie gesagt, der Volvo Ocean Race Stopover in einem Wort? Spaß!

Die Freude des Vorschoters: Abu Dhabi pflügt Wasser
Die Freude des Vorschoters: Abu Dhabi pflügt Wasser

Pumas Mar Mostro schlich wie so oft unspektakulär auf vordere Positionen.
Pumas Mar Mostro schlich wie so oft unspektakulär auf vordere Positionen.

Fotos: © Andy und Judy

„Wir haben ein unglaubliches Team aufgebaut hier bei Camper/Emirates Team New Zealand“

Zwei Inport-Rennen und die letzte Etappe des Volvo Ocean Race 2011-2012 trennen Camper/Emirates New Zealand vom Ende eines Rennens, dessen Ausgang bei der neuseeländisch-spanischen Kooperation sicherlich mit gemischten Gefühlen erwartet wird. Während des vorletzen Stopovers in Lorient, FRA, sprach Sailing Anarchy mit Campers Skipper Chris Nicholson (Nico):

Sailing Anarchy: Vor ungefähr neun Monaten dachen viele, dass Camper diese Ausgabe des Volvo Ocean Race dominieren würde. Das Boot war als erstes im Wasser, und alles schien glatt zu laufen. Es kam aber anders. Was identifizierst Du als Hauptfaktor dafür?

Nico: Sehr oft sieht es aus, als können das mehrere Faktoren sein, aber in puncto Vorbereitung für das Rennen und Training glaubten wir, eine fast ideale Vorbereitung gehabt zu haben. Wir segelten 10.000 Meilen, wir hatten unsere Arbeit und Hausaufgaben gemacht. Ja, wir waren eins der ersten Boote im Wasser, aber auch ein Ein-Boot-Programm. Das ist nicht die ideale Startposition, aber unter Berücksichtigung unseres Budgets ist es der einzige vernünftige Weg, dieses Rennen anzugehen.

Also, während das neue Boot das erste im Wasser war, haben andere Teams noch in alten Booten trainiert und schoben so ihre Design- und Bauzeit etwas weiter auf. Das führt zu ein paar Unterschieden, die sich summieren können. Aber recht häufig ist das, worauf es bei diesem Rennen ankommt, man muss manchmal sogar leider sagen, dass man das schnellste oder fast schnellste Boot in diesem Rennen sein muss. Und manchmal waren wir dieses Boot nicht.

Camper beim Inport-Race in Lorient

Sailing Anarchy: Hat dieses „weniger schnelle“ Boot die taktischen Entscheidungen beeinflusst?

Nico: Manchmal ja, manchmal muss man mehr riskieren, um zu versuchen, diesem Punkt entgegenarbeiten zu können. Aber, um ehrlich zu sein, hat es uns nicht groß beeinflusst. Wir haben nur ein oder zwei kleine Schwachstellen, und unglücklicherweise für uns haben die ersten drei Etappen dieses Rennens vom Wetter her leider direkt auf unsere Schwachstelle abgezielt. Das war eine Kombination einiger verschiedener Faktoren: Das Wetter war nicht normal und, wie ich denke, auch die Etappen an sich nicht.

Also, taktisch wussten wir, wo wir stark und wo wir schwach waren, und wir versuchten, dem Rechnung zu tragen, indem wir sogar einen dritten oder vierten Platz riskierten, was immer noch gute Punkte in der Tabelle brachte. Die wirft man nicht wegen einer Schwachstelle weg.

Sailing Anarchy: Inwieweit waren Du oder die ganze Mannschaft in das Design und die Konstruktion des Bootes miteinbezogen?

Nico: Wir waren natürlich stark mit einbezogen bezüglich vieler kleiner Details, wie Deck-Layout, dafür zu sorgen, dass das Boot bei Inport-Rennen funktioniert und das Segelprogramm. Ich kann sagen, es gab ziemlich viel Input von der Segel-Seite. Am Ende sind wir die Endbenutzer des Produktes, und wir haben gesagt, wir wollten ein Boot, das viele Meilen machen kann, wie 400 bis 500 Meilen am Tag. Um das zu tun braucht man ein Boot, das schnell raumschots und vor dem Wind segeln kann. Traditionell war das der Sieger des Rennens, und ich denke, er wird es auch dieses Mal sein.

Camper gewinnt den Start des Inport-Rennes in Lorient

Sailing Anarchy: Eine Frage von Anarchist HHN92: Falls es beim nächsten Mal eine Einheitsklasse gibt – und wir haben vor einigen Minuten erfahren, dass dem so sein wird – wird dieser Input nicht mehr erforderlich sein. Was denkst Du über diese Wahl?

Nico: Ich mag die Idee einer Einheitsklasse ziemlich. Ich denke, sie ist für viele Leute ansprechend, zum Beispiel mich. Mein Background ist mehr Einheitsklasse als irgendetwas anderes.

Die Segler benötigen eine Menge an Können um diesen Booten [VOR Open 70] zu helfen, dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Aber man muss beachten, dass am Ende der Input der Segler nur Feinabstimmung ist dessen, was von den Designern kommt. Die Designer sind diejenigen, die es richtig machen, oder die die letztendliche Geschwindigkeit definieren. Wir Segler machen die Feinabstimmung. Bezüglich „Segler verlieren hier Input“, ja, ein bisschen, aber die Segler bekommen auch absolute gleiche Wettbewerbsbedingungen, um gegeneinander anzutreten. Für mich ist das von großer Wichtigkeit.

Ich mag es, wenn ich morgens aufwache, egal ob ich gewonnen oder verloren habe, zu wissen, es ist einzig meinetwegen und wegen meines Teams. Also begrüße ich das.

Sailing Anarchy: Bevor Ihr in die Southern Ocean-Etappe gestartet seid warst Du sehr zuversichtlich und hast das Boot dann sehr hart rangenommen. Wie wir wissen, endete das dann in Puerto Montt. Was hat Dich dazu bewogen zu glauben, dass das Boot verlässlich genug ist, um es so extrem zu belasten?

Nico: Wir haben höchstwahrscheinlich mehr Meilen abgespult als jedes andere Team,  wir haben im Training über 10.000 Meilen gemacht. Und wir haben viele sehr harte Meilen um Neuseeland herum gemacht. Wir hatten viele Zeiten mit mehr als 30 Knoten in Neuseeland. Sogar als wir das Boot von England runter nach Palma brachten, hatten wir 50 Knoten im Ärmelkanal. Also hatten wir unter vielen harten Bedingungen gesegelt, wir haben es dem Boot nicht leicht gemacht. Ich denke, das ist der einzige Weg, das Rennen anzugehen, und wir dachten, wir hätten alles versucht, was möglich war mit dem Wetter, das uns zur Verfügung stand, und die Zuverlässigkeit war ziemlich gut.

Andererseits hatten wir einen Bruchschaden, der an keinem schlechteren Ort der Welt bei diesem Rennen hätte passieren können. Das ist keine Entschuldigung, es ist einfach eine Tatsache. Die Schäden der anderen Teams traten nahe der Küste auf oder in einer Entfernung wo sie immer noch in guter Form an die Küste kamen. Obwohl unser Schaden kein K.O.-Kriterium war, trat er in einem Teil der Welt auf, der einfach gnadenlos ist. Und wir haben einen ziemlich hohen Preis dafür gezahlt.

Sailing Anarchy: Die Leute auf der ISS waren näher an Euch dran als jeder Mensch an Land.

Nico: Ja sicher. Ich habe ihnen eine E-Mail geschickt, aber sie wollten nicht runterkommen, um uns zu helfen.

Sailing Anarchy: Schade. Ihr habt Adam Minoprio an Bord, einen hervorragenden Match Racer, der Nahkämpfe gewöhnt ist. Habt Ihr jemals daran gedacht, ihn bei den Inport-Rennen ans Steuer zu lassen?

Nico: Beim Programmstart haben wir darüber geredet, wer am besten geeignet ist für den Job. Und vergiss nicht, dass das kein Match Race, sondern eine 6-Boot-Flotte ist, und da gibt es einige große Unterschiede. Es gibt einige bei uns, die diesen Job machen könnten.

Letzendlich geben wir immer noch eine recht gute Vorstellung bei den Inport-Rennen ab.

Camper/Emirates Team New Zealand auf der Siegerehrung nach dem Inport-Rennen in Lorient
Camper/Emirates Team New Zealand auf der Siegerehrung nach dem zweiten Platz im Inport-Rennen, Lorient

Sailing Anarchy: Du bist auf Groupama 3 gesegelt. Würdest Du Dich gerne zukünftig auf einem Mehrrumpfboot sehen?

Nico: Potentiell ja. Es ist offensichtlich, dass sie sehr schnell sind, aber das Gefühl für die Geschwindigkeit ist nicht dasselbe wie in einem Einrumpfboot. Wir haben 30 Knoten auf Groupama gemacht, und es war alles relativ ruhig und gelassen, während Du bei 30 Knoten auf einem Volvo70 spürst, dass Du lebst.

Ich habe meine Zeit in Tornados abgeleistet, und ich genieße ziemlich, die Feinabstimmung eines High-Performance-Bootes wie eines Mehrrumpfbootes zu machen.

Sailing Anarchy: Welche Pläne hast Du für die Zukunft? Schon irgendwo unterschrieben?

Nico: Nein, noch nichts unterschrieben, aber ich gucke mir natürlich einige Sachen an. Im Moment gibt es viel Racing, das zu tun ziemlich aufregend ist, und ich denke, ich bin in dem schönen Alter, einfach etwas Auszeit am Ende dieses Rennens zu nehmen und weise auszuwählen.

Sailing Anarchy: Gibt es noch irgendetwas, dass Du sagen möchtest, Dich aber nie getraut hast?

Nico: Nein, alles prima. Es ist lustig, es sind noch insgesamt zwei Wochen übrig ein langes Projekt zu beenden, und ich denke, alles in allem hatten wir ein gutes Projekt. Es war gewiss ereignisreich, und wir haben ein unglaubliches Team aufgebaut hier bei Camper/Emirates Team New Zealand, eins, auf das jeder hier im Projekt stolz ist.

Sailing Anarchy: Toll. Viel Glück für den Rest dieses Rennens und vielen Dank.

Nico: Vielen Dank.

Fotos: © Andy